Margot Friedländer (†103) in Berlin beigesetzt: „Lasst uns ihre Botschaft weitertragen“
Beisetzung auf Jüdischem Friedhof: So wurde Margot Friedländer verabschiedet
„Irgendwo auf der Welt gibt’s ein kleines bisschen Glück, und ich träum’ davon in jedem Augenblick. Irgendwo auf der Welt gibt’s ein bisschen Seligkeit, und ich träum’ davon schon lange, lange Zeit.“ (Aus dem Schellack-Schlager „Irgendwo auf der Welt“) von Werner Richard Heymann, 1932)
Berlin – Abschied von einer Jahrhundert-Figur: Sie war eine der letzten Überlebenden des Holocaust, kämpfte unermüdlich gegen das Vergessen der Nazi-Gräuel. Ihre Mahnung „Seid Menschen!“ wurde zu ihrem Vermächtnis. Am 9. Mai starb Margot Friedländer im Alter von 103 Jahren.
Am Donnerstag wurde sie auf dem Jüdischen Friedhof in Berlin-Weißensee beigesetzt.
Die Holocaust-Überlebende und Zeitzeugin Margot Friedländer fand ihre letzte Ruhe neben ihren Großeltern
Zum Abschied von dieser Jahrhundert-Botschafterin der Menschlichkeit waren die Spitzen aus Politik und Gesellschaft erschienen, um der übergroßen Persönlichkeit von zierlicher Gestalt auf ihrem letzten Weg die Ehre zu erweisen, die die Nazis ihr zu rauben versucht hatten.
Am Friedhof stehen Kränze sowie ein Foto Friedländers mit ihrer Mahnung „Seid Menschen!“
Familie wurde im Konzentrationslager ermordet
Dr. Gideon Joffe (52), Vorsitzender der Jüdischen Gemeinde zu Berlin, sagte bei der Trauerfeier über den Todestag Friedländers: „Auf den Tag genau am 9. Mai 1945 erreichte die Rote Armee das KZ, in das diese wunderbare Person eingesperrt war.“
Vier Männer tragen Margot Friedländers Sarg, der von einem dunklen Tuch bedeckt ist
Als Friedländer nach Theresienstadt deportiert wurde, hatten die Nazis ihr schon die ganze Familie genommen. Vater Arthur, Mutter Auguste und Bruder Ralph starben im Konzentrationslager Auschwitz. Doch Margot Friedländers Mut und Überlebenswillen blieben ungebrochen. „Versuche, dein Leben zu machen“ waren die letzten Worte ihrer Mutter, die sie immer im Herzen – und auf den Lippen trug. Nie blieb sie still, unermüdlich warnte sie: „Seid vorsichtig.“ Noch im KZ lernte Margot Friedländer ihren künftigen Mann Adolf kennen.
Unter den Trauergästen: Regisseur Wim Wenders und Ehefrau Donata
Kanzler a. D. Olaf Scholz und Ehefrau Britta Ernst tragen sich ins Kondolenzbuch ein
Unter den Trauergästen: Drei Kanzler und zwei Bundespräsidenten
Unter den Trauergästen: Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier (69) mit Ehefrau Elke Büdenbender (63), Bundeskanzler Friedrich Merz (69), Bundespräsident a. D. Joachim Gauck (85), die Bundeskanzler a. D. Angela Merkel (70) und Olaf Scholz (66), Bundestagspräsidentin Julia Klöckner (52), Ron Prosor (66), Botschafter des Staates Israel in Deutschland und weitere Bundesminister.
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, Ehefrau Elke Büdenbender, Kanzler Friedrich Merz und Bundestagspräsidentin Julia Klöckner (v.r.)
Schauspielerin Iris Berben (l.) und TV-Moderatorin Dunja Hayali
Doch nicht nur die Politik hielt inne im Abschied, auch viele andere Prominente waren anwesend: Friede Springer, Schauspielerin Iris Berben (74), die mit einer roten Rose kam, Regisseur Wim Wenders (79), TV-Moderatorin Dunja Hayali (50), Ex-Hertha-Star Arne Friedrich (45), TV-Talkerin Sandra Maischberger (58).
Die Polizei sichert den Bereich um den Friedhof ab
Gemeinderabbiner Jonah Sievers (54) erinnerte bei der Gedenkfeier: „Es gibt Menschen, von denen man meint, sie würden ewig leben und uns ewig mit Rat und Tat zur Seite stehen. So eine Person war Margot Friedländer. Heute nehmen wir Abschied von einer kleinen, großen Frau.“
Kanzlerin a. D. Angela Merkel
Nur 66 Plätze gab es in der Kapelle, der Raum war bis auf den letzten Platz gefüllt. Ihre letzte Ruhe findet die Ehrenbürgerin Berlins und Trägerin des Großen Bundesverdienstkreuzes neben ihren Großeltern.
Erbe Friedländers ist Verpflichtung
Rabbiner Yehuda Teichtal (53) begleitete Margot Friedländer in den letzten Tagen vor ihrem Tod, appellierte: „Lasst uns die Botschaft von Margot weitertragen!“ Und: „Es ist der Beginn einer Verpflichtung, mit Millionen guten Taten die Welt zu einem besseren, zu einem menschlicheren Ort zu machen.“
Zum 103. Geburtstag sang Max Raabe Margot Friedländer ein Ständchen
Max Raabe singt bei der Beisetzung
Nach Gebeten und Gedenken sang Entertainer Max Raabe (62) zum letzten Geleit „Irgendwo auf der Welt“, Margot Friedländer hatte sich das gewünscht. Der Text passt zu ihrer unerschütterlichen Hoffnung, dass nach dem Kriegs-Gräuel, der Millionen Menschen das Leben kostete, Platz für Hoffnung ist.
Die erste Reihe der Trauergäste: Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner, Ex-Kanzlerin Angela Merkel, Mathias Döpfner (Vorstandsvorsitzender von Axel Springer und Vorstandsmitglied der Margot Friedländer Stiftung), Bundeskanzler Friedrich Merz, Daniela Schadt und ihr Lebensgefährte, Ex-Bundespräsident Joachim Gauck, Monika Grütters, Kulturstaatsministerin a.D. (v.l.)
Im Anschluss begleiteten die Trauergäste den Sarg zur Grabstätte – einem Ehrengrab des Landes Berlin, wie es der Ehrenbürgerin gebührt. Jeder der Anwesenden warf drei Schaufeln Erde ins Grab. Der jüdische Publizist Leeor Engländer, der auch im Kuratorium der Margot Friedländer Stiftung sitzt, sprach das „Kaddisch“, ein zentrales Gebet im Judentum zur Lobpreisung Gottes, auch in Zeiten der Trauer.
Bundeskanzler Friedrich Merz verbeugt sich vor dem schlichten Holzsarg, der mit einem schwarzen Tuch bedeckt sowie mit weißen und rosafarbenen Blumen geschmückt ist
Zuvor hatte Engländer, der seit 20 Jahren mit Margot Friedländer befreundet war, in einer sehr persönlichen Rede an die Frau erinnert, zu der er, wie er 2013 einmal in der WELT schrieb, „ein Verhältnis wie zwischen Großmutter und Enkel“ hatte.
Bis zuletzt war Margot Friedländer die Stimme derer, die nicht mehr mahnen und erinnern können. In einem Interview sagte sie einmal, was sie in ihrem hohen Alter bewegt: „Die Hoffnung, dass es weitergeht, auch wenn ich nicht mehr bin. Das ist wichtig.“
Iris Berben hält eine rote Rose für Margot Friedländers Grab bereit, als sie sich ins Kondolenzbuch einträgt
Schauspielerin Iris Berben, langjährige Freundin der Verstorbenen, blickte nach der Trauerfeier im Sinne Friedländers nach vorn. „Diese Zeremonie war auch ein starkes Zeichen der Politik. Vielleicht finden wir jetzt einen Anfang, wie wir in Zukunft passend miteinander umgehen. Das wäre das passende Vermächtnis von Margot Friedländer.“
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